Kannste Vergessen? – Der Podcast vom Lernen, Vergessen und Erinnern

Kannste Vergessen? – Der Podcast vom Lernen, Vergessen und Erinnern

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00:00:00: Kannste vergessen, der Podcast vom Lernen, vergessen und erinnern.

00:00:15: Hallo ihr wunderbaren Menschen und herzlich willkommen zu einer neuen Folge "Kannste vergessen".

00:00:19: Ich begrüße euch zur ersten Folge unserer neuen Staffel, die vierte mittlerweile um

00:00:25: ganz genau zu sein und ich freue mich, dass ihr auch heute wieder eingeschaltet habt.

00:00:29: Mein Name ist Rainer Holl, ich bin Autor, Moderator, Po, Tree Slammer und natürlich euer

00:00:33: Host in diesem Podcast und ich spreche für euch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern

00:00:37: über spannende Themen aus den Bereichen Neurowissenschaften, Psychologie und natürlich

00:00:42: auch über das Extinktionslernen.

00:00:44: Wir haben aber auch immer wieder Gäste, die uns hier freundschaftlich verbunden sind und

00:00:48: mit denen sprechen wir auch über ganz viele spannende Themen aus dem Bereich Neurowissenschaften

00:00:53: und schlagen auch immer wieder die Brücke zu Themen, die auch euch betreffen, zu spannenden

00:00:58: Alltagsthemen und heute sprechen wir vielleicht über das faszinierendste Organ, das es überhaupt

00:01:05: gibt und auch eine der gleichzeitig komplexesten Strukturen, die uns Menschen bekannt ist

00:01:09: im Universum, wir sprechen über unser Gehirn und zwar sprechen wir heute nicht über ein

00:01:12: bestimmtes Areal oder eine spezielle Funktion, das hatten wir ja hin und wieder schon mal

00:01:16: bei uns im Podcast, wir sprechen heute über das Gehirn als Ganzes und unser heutiger Gast

00:01:21: ist eine absolute Koryphea auf diesem Gebiet, ich freue mich heute, Professor Dr. Katrin

00:01:26: Amuns begrüßen zu dürfen.

00:01:28: Sie ist Direktorin des Sizil- und Oskar-Vogt-Instituts für Hirnforschung an der Heinrich-Heine-Universität

00:01:33: in Düsseldorf und leitet die Arbeitsgruppe für Architektonik und Hirnfunktion am Forschungszentrum

00:01:38: Jülich.

00:01:39: Bis 2023 war sie Wissenschaftliche Leiterin des Human Brain Project, einem der größten

00:01:44: europäischen Forschungsprojekte der letzten Jahre und sie gehört, würde ich sagen, zu

00:01:49: den renommiertesten Hirnforscherinnen weltweit, also sage auch nicht nur ich, ihre Arbeit

00:01:53: hat die Neurowissenschaften in den letzten Jahren wirklich Bahnbrechen vorangebracht

00:01:57: und dafür hat sie auch unter anderem vor Kurzem erst am 31.

00:02:00: Januar einen Ehrendoktortitel der Universität Maastricht verlieren bekommen und jetzt freue

00:02:05: ich mich, dass sie sich Zeit genommen hat, heute morgen bei uns im Podcast zu sein.

00:02:08: Guten Morgen vor allem nochmal herzlichen Glückwunsch, Frau Amuns.

00:02:11: Vielen Dank für den Glückwunsch und ich freue mich bei Ihnen, im Podcast heute zu sein.

00:02:15: Wir können leider nicht zusammen im Studio sitzen, aber sie sind mir live aus Jülich

00:02:19: zugeschaltet, die Technik macht es möglich, wir können es auch sehen, aber voll Disclosure.

00:02:24: Ich hoffe, Sie sehen mir ein bisschen diese Vorschusslorbeer nach, aber es kommt auch

00:02:28: nicht von ungefähr und es kommt auch nicht häufig vor, dass man einen Ehrendoktortitel

00:02:31: verliehen bekommt und in der Laudatio wurden unter anderem ihre Visionen, ihr Pioniergeist

00:02:37: und die Durchhaltevermögen betont, das sind wahrscheinlich Eigenschaften, die essentiell

00:02:40: sind, wenn man so ein komplexes Organ wie das Gehirn untersucht, ich stelle mir das

00:02:44: auch wirklich sehr herausfordernd vor, aber vielleicht mal zum Einstieg für Sie jetzt

00:02:49: ganz persönlich.

00:02:50: Was war denn für Sie der Moment, wo Sie wussten, das ist das Gehirn, damit möchte ich mich

00:02:53: jetzt wirklich den Rest meines Lebens beschäftigen?

00:02:55: Wann war das dieser Moment?

00:02:57: Das war während des Studiums, das war aber vielleicht auch nicht ein Moment, ich würde

00:03:02: das nicht als Moment beschreiben, sondern das war eher ein Verständnis, dass das Gehirn

00:03:07: das allerinteressanteste ist, was ich wie untersucht habe und was ich faszinierend finde

00:03:12: und wo ich im Denke, dass nichts anderes damit konkurrieren kann.

00:03:15: Ich habe durchaus zwischendurch mal andere Organe mir angeguckt, also Muskeln oder auch

00:03:21: Lysosomen mir angeschaut, zelluläre Strukturen, aber am Ende bin ich dann doch wieder beim

00:03:27: Gehirn gelandert, weil mich eigentlich die Architektur der Zellen, also die Art und Weise,

00:03:32: wie Zellen im Gehirn angeordnet sind, fasziniert hat und ich mir dachte hinter dieser Anordnung

00:03:37: von Zellen in der sogenannten Hirnrinne, aber auch in tiefer gelegenen Kerngebieten, da

00:03:42: steckt ganz viel Information darüber, wie das Gehirn funktioniert oder eben auch was

00:03:47: passiert, wenn wir Entwicklungsstörungen sehen oder wenn wir andere Erkrankungen beobachten.

00:03:53: Und die Faszination hat auch keineswegs nachgelassen und hält bis heute an und ich glaube, Sie

00:03:58: sind doch wirklich eine sehr gute Ansprechpartnerin, vielleicht die Beste, die wir finden können,

00:04:02: um über diese Themen zu sprechen und das Gehirn den Aufbau besser verstehen zu können.

00:04:08: Also wenn ihr heute dran bleibt, erfahrt ihr mehr über den Apparat, der euch durch

00:04:12: dieses Leben führt und euch überhaupt ermöglicht, diesen Podcast zu hören, ehe wir wirklich

00:04:16: einsteigen, gibt es wie immer, ihr habt sich schon ein bisschen kennengelernt, aber jetzt

00:04:20: nochmal unseren Gäste-Einspieler.

00:04:23: Katrin Amunds ist Medizinerin und unter anderem Professorin für Hirnforschung an der Heinrich-Heine-Universität

00:04:29: Düsseldorf und Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum

00:04:34: Jöhlich. Ihre wissenschaftlichen Stationen führten sie unter anderem nach Moskau, Berlin,

00:04:39: Bachen, Brüssel, Düsseldorf und Jöhlich. Ihre Forschungsschwerpunkte bilden Neurowissenschaften,

00:04:45: Human Brain Mapping, Zytoarchitektonik, Neuroanatomie der Sprache und auch ethische Fragestellungen.

00:04:51: Neben und wegen ihrer Forschungstätigkeit war Katrin Amunds über acht Jahre lang gewilltes

00:04:55: Mitglied des Deutschen Ethikrats und dort bis 2020 stellvertretende Vorsitzende. Sie

00:05:01: trägt das Bundesverdienstkreuz erster Klasse für herausragendes Engagement in den Wissenschaften.

00:05:06: Das von ihr geleitete Human Brain Project ist bis heute eines der größten Hirnforschungsprojekte

00:05:12: überhaupt.

00:05:15: Frau Amunds, Sie haben mal in einem Interview gesagt, Sie möchten verstehen, wie die Organisationsprinzipien

00:05:21: des Gehirns sind. Das haben Sie auch gerade nochmal erwähnt, also wie Struktur und Funktion

00:05:26: miteinander zusammenhängen. Und ich als Leier, was ich in den letzten Jahren so mitgenommen

00:05:30: habe von diesem Thema, ich stelle mir das Gehirn so ein bisschen wie eine riesige Stadt vor

00:05:36: mit Autobahnen und mit kleinen Gassen und mit ganz vielen verschiedenen Verbindungen.

00:05:41: Kann man das so grob runterbrechen, ist das so? Und wenn das so wäre, kann man dann überhaupt

00:05:46: einen Stadtplan zeichnen und folgen diese Organisationsprinzipien jetzt ihrer Erfahrung

00:05:51: nach einer intuitiven Logik oder ist das ein Riesenchaos in dieser Stadt?

00:05:55: Ich denke, der Vergleich mit einem Stadtplan ist ganz gut. Ich nutze den selber ab und zu.

00:06:01: Vielleicht würde ich sagen, nicht unbedingt nur eine Stadt, sondern wirklich, wenn man

00:06:04: sich vorstellt, man baut eine Karte der ganzen Erde und hat dann eben sehr, sehr unterschiedliche

00:06:11: Bereiche in der Erde, Kontinente, Ozeane, die sich sehr stark unterscheiden und die

00:06:18: eben auf eine bestimmte Art und Weise zu unserem Leben beitragen. Und das ist im Gehirn

00:06:24: ganz ähnlich. Das Gehirn ist sehr, sehr unterschiedlich aufgebaut. Wenn wir vorne im Frontall lappen,

00:06:31: sonst anschauen, dann sieht das ganz anders aus als im hinteren Bereich, im Oxipitalappen.

00:06:36: Und das hat funktionelle Bedeutung. Der hinteren Bereich hat viel mit Seeverarbeitung zu tun.

00:06:41: Vorne wären abstraktere Entscheidungsprozesse durchgeführt, hat viel zu tun damit, wie

00:06:48: wir uns verhalten, als Menschen vorausplanen können. Also diese Unterschiedlichkeit in

00:06:53: der Struktur, auch insbesondere in der cellulären Struktur, der hat etwas damit zu tun, was

00:06:59: diese verschiedenen Bereiche oder Regionen zur Funktion beitragen. Und dann wird es leider

00:07:04: noch ein bisschen komplizierter, weil jede dieser verschiedenen Bereiche mit anderen

00:07:10: verbunden ist. Das nennen wir Konnektivität oder das ist die Verbindungsstruktur. Und

00:07:15: die ist besonders im menschlichen Gehirn extrem umfangreich. Wir gehen davon aus, dass vielleicht

00:07:21: zwei bis drei Millionen Kilometer in unseren Köpfen sind, in einem einzigen Gehirn. Das

00:07:27: ist unverstellbar viel. Und damit werden all die ganzen Feinden, Dendriten oder Aktionen,

00:07:32: so nennt man die Fortsätze, genannt mit den Zellen miteinander kommunizieren. Und auch

00:07:37: die Zellen sind von sich aus sehr vieles. 86 Milliarden geben wir im Moment davon aus,

00:07:44: nur Nervenzellen. Dann gibt es auch noch mal Glierzellen, es gibt natürlich auch Zellen

00:07:49: in Blutgefäßen. Also es ist ein unglaublich komplexes Netzwerk. Und wir versuchen letztendlich

00:07:56: in unserem Ansatz diese unterschiedlichen Regionen zu verstehen, zu kartieren und in

00:08:03: eine funktionelle Bedeutung zuzuschreiben. Das scheint mir fast eine Sisyphus-Aufgabe

00:08:08: zu sein, aber irgendwo muss man ja mal anfangen. Und das wurde auch gemacht in einem, ich hab

00:08:13: es so gelesen und ich glaube man kann es auch so sagen, einem Flaggschiffprojekt der Europäischen

00:08:19: Union, dem sogenannten Human Brain Project. Und in diesem Human Brain Project, dort waren

00:08:24: Sie wissenschaftliche Leiterin. Im Human Brain Project ging es genau um diese Forschung,

00:08:29: also das Gehirn besser in seiner Struktur zu verstehen. Und das wurde jetzt wirklich

00:08:33: auf aller höchster Ebene tatsächlich gefördert. Vielleicht können Sie uns mit reinnehmen,

00:08:38: was das Ansinnen dieses Projektes war, wie es aufgebaut war und wer da alles mitgearbeitet

00:08:43: hat. Was können wir uns unter dem Human Brain Project vorstellen?

00:08:46: Wir haben jetzt mit unserem Team natürlich nicht von Null angefangen, als wir in diesem

00:08:50: Human Brain Project begonnen haben. Das Human Brain Project hatte die Besonderheit, dass

00:08:58: das Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler aus ganz verschiedenen Labs europaweit zusammengebracht

00:09:03: hat, die zum Teil sehr, sehr unterschiedliche Ansätze verfolgt haben. Also es gab einen

00:09:08: Kollegen, der das Mausgehörn mit unglaublicher Genauigkeit und Detail untersucht hat aus

00:09:15: Spanien, Chavé de Philippe. Es gab Kollegen, die sich mehr mit der theoretischen neue Wissenschaft

00:09:20: beschäftigt haben oder mit der Kognitionsneure Wissenschaft. Wir hatten aber auch Kollegen,

00:09:26: die Informatik aufgebaut hat, das High Performance Computing angebracht haben, Neuromorphist Computing,

00:09:33: Robotik hinzugefügt haben, aber wir hatten eben auch einen Bereich, in dem ethische Fragen

00:09:38: untersucht wurden. Und da kann man sich schon vorstellen, das war wirklich ein ganz massiv

00:09:43: interdisziplinäres Unterfangen, was da gestartet wurde. Aber wir hatten alle eigentlich von

00:09:49: Beginn an die Vision oder die Vorstellung, dass wir das menschliche Gehirn genauer verstehen

00:09:55: wollen. Und das ist dafür wichtig ist, dass wir uns zusammen tun als Wissenschaftlerinnen

00:10:00: und als Wissenschaftler, weil diese Frage einfach über ein einzelnes Labor oder eine einzelne

00:10:05: Gruppe hinausgeht. Und wir waren uns auch recht einig, dass diese Bedeutung das Gehirn besser

00:10:12: zu verstehen, eine Bedeutung hat für Medizin, aber eben auch für Technologien und für Computing.

00:10:18: Und das war eigentlich die Besonderheit, dass an dieser Schnittstelle zwischen Medizin,

00:10:23: Neurowissenschaft, Computing und Technologie, dass da sich ein Konsort zum gefunden hat,

00:10:29: was eben beitragen wollte, die Wissenschaft über das Gehirn schon auch offene neue Stufe

00:10:35: zu bringen, einfach allein schon durch die Größe.

00:10:38: Das ist eigentlich ein schöner Gedanke, dass das Unterfangen das Gehirn besser zu verstehen.

00:10:43: Das Gehirn ist ja, wie ich das verstehe, sehr viele verschiedene Systeme, die miteinander

00:10:49: wiederum kommunizieren über ganz viele verschiedene Wege.

00:10:52: Ein Weg, das zu erforschen, auch nur sein kann, verschiedene Forschungseinrichtungen

00:10:57: wiederum auch zu vernetzen, also auch Netzwerke zu bilden. Und eben nicht, wie das vielleicht

00:11:03: länger gang und gäbe, war, dass jeder so sein eigenes Züppchen kocht und man versucht

00:11:07: selber die Lorbeeren einzufahren, sondern dass es eigentlich nur gemeinsam geht.

00:11:10: Wie viele Menschen haben denn mitgearbeitet insgesamt?

00:11:13: Das sind über 500 gewesen, wobei die natürlich auch alle ihre Lorbeeren gerne haben möchten.

00:11:18: Man muss sich es vielleicht so vorstellen, dass es so eine Art sehr, sehr großer Sonderforschungsbereich

00:11:24: ist.

00:11:25: Da gibt es schon eine Parallelität, nur dann eben international.

00:11:28: Und vielleicht ein zweiter wichtiger Unterschied ist der, dass wir verstanden haben, dass

00:11:33: es nicht reicht, nur gute Wissenschaft zu machen, sondern dass wir auch etwas abliefern

00:11:39: müssen am Ende, was bestand hat, auch wenn das Projekt selber nicht mehr gefordert wird

00:11:44: und ausgelaufen ist.

00:11:45: Und das ist diese wissenschaftliche Infrastruktur eBrainz, die auch jetzt nach dem Ende des

00:11:52: Human Brain Projects allen Wissenschaftlern zur Verfügung steht, um ihre Art von Forschung

00:11:58: zu befordern.

00:11:59: Genau, Sie haben eben auch schon über IT-Aspekte gesprochen.

00:12:02: Es kommen unglaubliche Datenmengen zusammen und was dort auch entstanden ist, ist den

00:12:07: Begriff kannte ich vor auch nicht, tatsächlich ein Exascale-Rechenzentrum, für die, die

00:12:12: jetzt nicht wissen, was es ist, stellt euch irgendein Hackerfilm vor, wo jemand durch

00:12:15: einen Serverraum läuft und alles sieht sehr futuristisch aus.

00:12:19: Dieses Serverraum, das ist ein Exascale-Rechenzentrum, das haben eigentlich nur Regierungen.

00:12:23: Also was wir als Human Brain Project gemacht haben, wir haben erkannt, dass wenn man so

00:12:28: wahnsinnig viele Zellen hat mit dieser unglaublichen, länger Anverbindung und der Möglichkeit,

00:12:33: wie viele Zellen miteinander sprechen können, und zwar kann jede Zelle mit vielen Tausend

00:12:38: anderen Zellen in Verbindung treten.

00:12:40: Um diese Komplexität irgendwie beschreiben zu können, mathematisch beschreiben zu können,

00:12:45: zu berechnen und dann auch vielleicht zu simulieren, ist es notwendig, sehr, sehr große Computer

00:12:50: zu haben.

00:12:51: Und das wird als Supercomputing bezeichnet, Supercomputing-Centren gibt es einige in Deutschland,

00:12:59: auch in Europa natürlich auch weltweit.

00:13:01: Und der Exascale-Rechner, das ist wirklich jetzt ein Rechner, der gerade aufgebaut wird

00:13:08: im Forschungszentrum Jülich, der wird dann auch der einzige seiner Art im Moment in Europa

00:13:13: sein.

00:13:14: Und das bedeutet einfach, Exascale bedeutet, dass er 10 hoch 18 Floating Point Operation

00:13:20: pro Sekunde rechnen kann.

00:13:22: Das ist gigantisch viel, unglaublich viel und ist natürlich dann wichtig, wenn man

00:13:28: besonders rechenaufwendige Prozesse dort laufen lassen möchte.

00:13:33: Und die Hirnforschung ist also einer der Nutzer, der natürlich auf dem Exascale auch rechnen

00:13:39: möchte, aber eben auch solche Fragen wie Klimaberechnung zum Beispiel, oder was passiert

00:13:45: im All, wie kann man das versuchen zu untersuchen, oder auch molekulare Simulationen, das sind

00:13:51: also alles Aufgaben, die auf so einem Exascale-Rechner laufen würde.

00:13:54: Und wir als Neurowissenschaftler, wir haben uns gesagt, wir müssen auch diesen Weg gehen,

00:13:58: weil eben für bestimmte Fragestellungen lange nicht für alle, aber für bestimmte braucht

00:14:03: man halt unglaublich rechenbauer.

00:14:05: Aber dann bleiben wir nochmal kurz jetzt bei dem Human Brain Project oder dem Abschluss.

00:14:08: Was sind denn jetzt Ergebnisse, wo Sie sagen würden, das ist jetzt was, was wir wirklich

00:14:12: vorzeigen können nach diesen 10 Jahren und würden Sie sagen, steht heraus als Ergebnis?

00:14:17: Es gibt viele Ergebnisse und da fällt es mir immer ein bisschen schwer, nur einige herauszupicken.

00:14:22: Aber lassen Sie mich vielleicht mit dem Multilevel-Atlas anfangen.

00:14:27: Also wir haben im Human Brain Project ein Atlas entwickelt, das menschlichen Gehirns,

00:14:32: der ganz verschiedener Organisationsaspekte des Gehirns umfasst.

00:14:36: Zum Beispiel, wie sind die Zellen sortiert im menschlichen Gehirn, wie ist die Verbindungsstruktur

00:14:41: dieser Zellen, wie ist die molekulare Struktur und wie ist die funktionelle Gliederung des

00:14:46: Gehirns.

00:14:47: Das nennen wir Multilevel oder Multimodal und das wurde in einem Atlas zusammengefügt

00:14:53: und auf den haben jetzt alle Menschen Zugriff und dieser Atlas ist sowas wie Google Maps,

00:14:58: aber eben fürs Gehirn.

00:14:59: Das heißt, man kann da wirklich reinzoomen bis auf die Ebene einzelner Zellen, man kann

00:15:04: rauszoomen auf die Ebene von Hirnarealen oder vom ganzen Gehirn und das erfordert natürlich

00:15:09: viel Informatik, damit es auch vernünftig läuft und jeder Mensch da auch Zugriff hat.

00:15:14: Aber das war uns eben wichtig, weil es eine Möglichkeit ist, im Sinne von Fährdaten,

00:15:19: also frei zur Verfügung gestellten Forschungsdaten, unsere Ergebnisse mit anderen Wissenschaftlerinnen

00:15:25: und Wissenschaftlern zu teilen und der Atlas ist was ganz Besonderes, den gibt es in anderen

00:15:30: Ländern nicht und international, das sind wir natürlich besonders stolz.

00:15:33: Der ist für den europäischen Raum oder für den deutschen Raum, oder?

00:15:37: Ich würde sagen, international hat der Atlas Alleinstellungsmerkmal, wir entwickeln den

00:15:42: Atlas weiter, wir würden das als Living Atlas bezeichnen, als Leventing Atlas, weil natürlich

00:15:48: wie das in der Wissenschaft immer so ist, dann findet man was Neues heraus, dann sieht

00:15:53: man noch etwas genauer, dann kann man vielleicht noch besser verstehen, wie die Hirnrinde zum

00:15:58: Beispiel gegliedert ist, welche Teile die Hirnrinde hat und dann kommt ein neues Areal

00:16:03: dazu, das wird dann in den Atlas wieder eingepflegt und steht dann wieder alle zur Verfügung.

00:16:07: Es gibt also immer eine neue Release, wie es so schön heißt, genau wie es besser oft

00:16:11: wäre, immer eine neue Release gibt, so ähnlich ist das Konzept.

00:16:14: Ich bin sehr dankbar, dass Sie jetzt, also meine nächste Frage hat sich eigentlich schon

00:16:18: erledigt, hier steht nämlich, kann man sich das Big Brain, so heißt er glaube ich, der

00:16:21: Atlas, kann man sich das vorstellen, wie Google Maps fürs Gehirn, aber es ist ja schön, dass

00:16:25: Sie die gleichen Metapher quasi auch verwenden, aber ich glaube, wir müssen den Zuhörenden,

00:16:30: die jetzt nicht so eine Vorstellung davon haben, nochmal genauer beschreiben, warum das so

00:16:34: besonders ist, denn wenn ich mir Dokumentationen anschaue, Filme anschaue, es gibt ja immer

00:16:38: wieder Grafiken von Gehirnen und man hat glaube ich auch, weil es ja MRT-Bilder gibt und

00:16:44: so weiter, einfach so die Vorstellung, hey, was im Kopf vorgeht, wissen wir, Laser rein,

00:16:49: Strahlen rein, irgendwie, wir haben, können wir reingucken, aber dem war ja offensichtlich

00:16:54: nicht so.

00:16:55: Also wir hatten ja offensichtlich nicht die Möglichkeit wirklich 3D in so ein tatsächliches

00:17:01: Gehirn reinzugehen.

00:17:02: Also was macht diesen Atlas, diesen 3D-Scan nochmal so besonders, dass wir das vorher

00:17:06: nicht hatten?

00:17:07: Genau, der Punkt, den Sie da treffen, wenn wir uns Gehirner anschauen von Menschen, die

00:17:12: leben, Patienten von anderen Menschen im Scanner, Magnet-Resonanzscanner, dann können wir sehen,

00:17:20: wie sich das Gehirn verändert, zum Beispiel, wenn wir eine bestimmte Aufgabe ausführen,

00:17:25: mit dem Finger wackeln oder sprechen oder etwas erkennen können.

00:17:29: Das ist natürlich sehr wichtig, denn dann sehen wir die Funktionalität des Gehirns sozusagen

00:17:34: online und live.

00:17:35: Wir können aber mit solchen Magnet-Resonanz-tomographischen Aufnahmen nur bis etwa auf die Ebene von einem

00:17:43: Millimeter oder vielleicht einem halben Millimeter heruntergehen.

00:17:48: So eine Nervenzelle ist aber nur 10 oder 20 Mikrometer groß.

00:17:53: Ein Mikrometer ist ein Tausendstel von einem Millimeter.

00:17:56: Das heißt, wir sehen letztendlich mit Bildgebung beim lebenden Menschen nicht die cellulären

00:18:04: Eigenschaften des Gehirns.

00:18:06: Wir können vermuten, wo bestimmte Hirnareale sind, aber wir sehen es halt für 95 Prozent

00:18:12: aller Hirnareale nicht genau.

00:18:14: Dann müssen wir einen zweiten Schritt tun.

00:18:16: Wir müssen uns Gehirne von verstorbenen Menschen anschauen, die in hauchdünne Schnitte zerteilen

00:18:23: und hauchdünn, damit meine ich jetzt 20 Mikrometer, und diese hauchdünn Schnitte kann man dann,

00:18:29: wenn man sie zum Beispiel für Zellkörper färbt, unter dem Mikroskop angucken.

00:18:33: Und dann sehen wir jede einzelne Zelle, alle von diesen 86 Milliarden.

00:18:37: Und was wir machen in meinem Institut hier in Jünich ist, wir schneiden ganze menschliche

00:18:44: Gehirne wirklich von vorne bis hinten, färben jeden einzelnen Schnitt, haben dann circa

00:18:50: 7000 einzelne solcher feinen Gewebeschnitte und bauen die dann am Computer wieder zusammen,

00:18:56: sodass wir wieder die räumliche Darstellung dieser ganzen Schnitte haben.

00:19:00: Und das ist das sogenannte Big Brain.

00:19:02: Das Big Brain ist ein dreidimensionaler Datensass eines einzelnen menschlichen Gehirns, bei

00:19:09: dem wir jeden der 7404 Schnitte gefärbt haben, eingescannt haben, und dann wieder dreidimensional

00:19:17: die ganzen Schnitte zusammengefügt haben.

00:19:19: Und das ist immer noch das allerhöchst aufgelöste Modell eines ganzen menschlichen Gehirns.

00:19:24: Und ich finde es so wichtig, zu betonen, dass wir ja diesen Blick auf das ganze menschliche

00:19:30: Gehirn brauchen, weil das Gehirn ja auch als ganzes Organ funktioniert und eben nicht

00:19:35: nur vorne eine kleine Hirnregion aktiv ist oder hinten eine kleine Hirnregion, sondern

00:19:40: das Gehirn agiert eben als ganzes Organ, deshalb brauchen wir letztendlich ein Verständnis über

00:19:45: das ganze Gehirn.

00:19:46: Und das ist so extrem aufwendig und macht so viel Arbeit und hat letztendlich dazu geführt,

00:19:52: dass wir 10 Jahre gebraucht haben, dieses einzelne Gehirn zusammen mit unseren Kollegen in Montreal

00:19:57: zu rekonstruieren.

00:19:58: Es wird aber leider noch etwas komplizierter, weil menschliche Gehirne unterscheiden sich.

00:20:02: Genauso wie wir uns unterscheiden, in unserer größte Augenfarbe, Haarfarbe, Konstitutionen

00:20:08: genauso unterscheiden sich auch Gehirne.

00:20:10: Wie schafft man das jetzt, diese Unterschiede zwischen Gehirn mit in so ein Atlas reinzubringen?

00:20:17: Denn es ist natürlich schön, ein Atlas über ein einzelnes Gehirn zu haben, aber wir wollen

00:20:21: ja auch verstehen, was die Varianz ist innerhalb einer Hirnregion oder Zwischengehirne.

00:20:27: Das hat ja eine riesige Bedeutung, wenn wir zum Beispiel an Patienten denken, die dann

00:20:31: mithilfe des Atlas vielleicht besser untersucht werden können.

00:20:35: Um das zu beantworten, haben wir eben nicht nur ein Gehirn untersucht, sondern für alle

00:20:42: Karten, die wir herstellen über das Gehirn, 10 Gehirne.

00:20:45: Das war nicht auf dieser unglaublich hohen Auflösung wie das Big Brain, aber doch auf

00:20:49: einer Auflösung, die es uns erlaubt, mikroskopische Daten herzustellen und Karten anzubieten,

00:20:56: die dann diese Variabilität abbilden.

00:20:59: Der Atlas hat also sogenannte Wahrscheinlichkeitskarten und die zeigen für jeden Punkt des Raumes

00:21:06: die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes mikrostrukturelles Areal präsentes oder nicht.

00:21:12: Dann hat man viele, viele Karten von jeweils 10 Gehirnen, die überlappen sich natürlich

00:21:17: und wir sehen dann oder wir kommen dann zur Aussage, am Ende mit der Wahrscheinlichkeit

00:21:22: von 60 Prozent ist dieser Punkt im Raum, zeigt er das Areal 44, aber mit einer Wahrscheinlichkeit

00:21:30: von vielleicht 30 Prozent zeigt er das Areal 45, aber mit der Wahrscheinlichkeit von weiteren

00:21:36: Prozentzahlen zeigt er ihm vielleicht andere Areale.

00:21:39: Das heißt, der Atlas ist schon ein bisschen komplizierter als so eine einfache Karte einer

00:21:45: Stadt, denn er bildet ab, dass wir Menschen nun mal auch sehr unterschiedliche Hirne

00:21:51: haben, dass wir natürlich viele Gemeinsamkeiten haben, aber auch eben diese Variabilität

00:21:55: haben und unser Ziel war es sowohl die Variabilität abzubilden, als auch eben die mikroskopische

00:22:01: Ebene über das Big Brain und das macht diesen Ansatz eben so besonders.

00:22:05: Ich habe so viele Fragen, also erstmal ist es also wahnsinnig toll, zunächst mal in welcher

00:22:10: Metzgerei kriegt man so eine tolle Schneidemaschine, dass man so dünne Scheiben aus einem Gehirn

00:22:15: schneiden kann.

00:22:16: Oh, da gibt es eine gute Tradition, schon seit weit mehr als 100 Jahren, diese Maschinen

00:22:23: heißen Mikrotome und die haben in der Tat sehr, sehr scharfe Messer, die so eine keilformige

00:22:30: Schneide haben und mit diesen keilformigen Messern scharbt man vielleicht über ein in

00:22:38: Paraffin eingebettetes Gehirn und da das Gehirn in Paraffin eingebettet ist, ist es sehr elastisch

00:22:44: und man kann mit einem ultra scharfen Messer so dünne Schnitte wie im 20 Mikrometer bekommen.

00:22:51: Braucht natürlich ein gutes Labor-Team, um das ganz klar zu sagen, die Heil hinüber

00:22:55: zu bekommen.

00:22:56: Und das wird nicht vorher in, keine Ahnung, in Gips eingefasst oder so, dass es besser

00:23:02: greifbar ist oder so, also es muss ja sehr fixiert sein, glaube ich.

00:23:05: Das ist letztendlich der richtige Weg, nur nehmen wir nicht Gips, sondern Paraffin,

00:23:09: also Kerzenwachs.

00:23:10: Ach so, okay.

00:23:11: Jeder, der schon mal eine Kerze geschnitten hat, weiß, dass Kerzenwachs, wenn die Temperatur

00:23:16: stimmt, sehr, sehr reich und elastisch ist und das machen wir uns zu Nutze und betten,

00:23:21: also fixierte Gehirne in Paraffin ein, das dauert etwa drei Monate, dann sind die in so einem

00:23:27: weißen, nicht besonders gut durchsichtigen Block und dann können wir mithilfe dieser

00:23:32: Mikrotome mit sehr langen, sehr scharfen Messern das Gehirn systematisch von Anfang bis Ende

00:23:38: schneiden.

00:23:39: Und das sind dann zwei D-Scheiben, die wir dann haben und wir können aber dann trotzdem

00:23:45: später auch, also wenn das jetzt Querschnitte sind, können wir trotzdem auch längst durch

00:23:49: das Gehirn durch in dem Atlas, also es wird ein drei D Bild daraus generiert.

00:23:52: Wir können dann, wenn es drei D rekonstruiert ist, virtuelle Schnitte machen, egal in welcher

00:23:57: Form.

00:23:58: Aber die ursprüngliche Schnittreihe, also die physischen Schnitte, das sind zwei dimensionale

00:24:02: Schnitte, die sind dann eben sehr, sehr dünn, die liegen bei uns auf eine Holztabletten und

00:24:07: werden dann gefärbt in Bezug auf die Zellkörper und um sich damals so eine Vorstellung zu

00:24:13: machen, ein einziges Gehirn braucht etwa 32 ziemlich großer Holzkisten, denn 7000 Schnitte

00:24:20: sind eine ganze Menge.

00:24:22: Und wenn wir diese 7000 Schnitte dann aber letztendlich haben, dann digitalisieren wir

00:24:27: die mit einem hoch aufgelösten Scanner System und können die dann wieder dreidimensional

00:24:32: zusammenfügen.

00:24:33: Die Schwierigkeit dabei ist, wenn Sie sich vorstellen, dass Sie etwas schneiden, dann

00:24:38: passiert es natürlich manchmal, dass da ein Stück verloren geht oder dass da ein kleiner

00:24:43: Kratzer reinkommt.

00:24:44: Das ist bei uns in der Histologie genauso wie im üblichen Leben, im anderen Leben.

00:24:49: Und dann muss man diese Artefakte, nennen wir das, herausrechnen, wofür eben auch wieder

00:24:55: besondere Software notwendig ist, Bildauswertung, so dass man am Ende wirklich eine dreidimensional

00:25:02: Rekonstruktion hat, die man eben beliebig schneiden und beliebig drehen kann.

00:25:06: Und das ist dann ein riesiger Vorteil, denn das Gehirn hat eine sehr, sehr stark gefaltete

00:25:12: Oberfläche und manchmal liegt die Schnittebene einfach sehr ungünstig in Bezug auf die Faltung,

00:25:19: wenn man aber ein virtuelles Gehirn hat.

00:25:21: Dann kann man sich das Gehirn so hinlegen, wie man es braucht und kann dann virtuelle

00:25:25: Schnitte machen.

00:25:26: Und das ist online möglich in Echtzeit und man kann sich es eben angucken, wie man es

00:25:32: letztendlich braucht und nicht nur angucken, sondern man kann sich diese Datensätze auch

00:25:36: herunterladen und dann selber eine Untersuchung damit machen.

00:25:40: Wie das praktisch aussieht, da würde ich gleich auch nochmal gerne genauer drauf eingehen.

00:25:44: Meine Frage, Sie haben gerade schon gesagt, Sie haben bis zu zehn Gehirne dazu untersucht.

00:25:48: Das wäre nämlich meine Frage erstmal gewesen.

00:25:50: Wie suchen Sie die Personen aus, wer war überhaupt das erste Gehirn, also wen hat man da genommen?

00:25:57: Und dann wäre auch schon meine Frage, sind zum Beispiel Männer und Frauengehirne unterschiedlich

00:26:01: oder wenn ich jetzt ein Londoner Taxifahrer nehme, dann ist sein Hippocampus wahrscheinlich

00:26:05: größer als bei den anderen Menschen, die die ganzen Straßen darin abgespeichert sind.

00:26:10: Also wie haben Sie die Auswahl getroffen und was für eine Auswahl ist das jetzt dieser

00:26:13: zehn Gehirne?

00:26:14: Die Gehirne kommen aus einem sogenannten Körperspenderprogramm, der Universität Düsseldorf.

00:26:19: Das haben eigentlich die meisten Universitäten oder alle Universitäten, die eine militärische

00:26:23: Fakultät haben.

00:26:24: Und das läuft so, dass Menschen, die Gehirn der Forschung und Lehre vermachen, schreiben

00:26:30: da sozusagen ein Testament, vermachen dann das Gehirn und über die Körperspenderprogramme

00:26:36: haben dann Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler die Möglichkeit solche Gehirne zu bekommen

00:26:41: und daran Forschung zu machen.

00:26:43: Das sind erst einmal nur Menschen, von denen wir wissen, dass sie keine neurologischen

00:26:49: oder psychiatrischen Erkrankungen hatten, weil es uns wichtig war, dass wir den Atlas

00:26:54: so bauen, dass er von möglichst normalen Menschen kommt, also von Menschen, von denen

00:27:01: wir nicht vermuten können, dass sie eben spezifische Veränderungen im Gehirn zeigen, durch einen

00:27:05: Schlaganfall oder ähnliches.

00:27:07: Aber viel mehr wissen wir von diesen Menschen nicht, wir wissen ihr Geschlecht, wir wissen

00:27:13: ihr Alter, wir kennen die pathologische Diagnose, aber andere Gesichtspunkte gibt es für die

00:27:21: Auswahl nicht.

00:27:22: Wir versuchen, Gehirne zu bekommen, natürlich auch von Menschen, die alle Altersspannen

00:27:29: umfassen, um eben auch so einen ersten Überblick geben zu können, wie menschliche Gehirne

00:27:36: sind.

00:27:37: Wir versuchen möglichst repräsentativ unsere Population darzustellen und um das eben auch

00:27:42: zu erreichen werden, jeweils hälftig-hälftig Männer und Frauengehörne in diese Wahrscheinlichkeitskarten

00:27:49: mit einbezogen.

00:27:50: Wir wissen, dass es in vielen Bereichen durchaus Geschlechterunterschiede gibt, das betrifft

00:27:55: aber nicht alle Areale im gleichen Maße und es ist ja genau eine Forschungsfrage auch

00:28:01: besser zu verstehen, worun eben genau auch Unterschiede im Gehirn, wodurch die bedingt

00:28:07: sind.

00:28:08: Und das biologische Geschlecht ist ein Faktor, es gibt natürlich noch ganz viele andere Faktoren,

00:28:12: das Alter wäre zum Beispiel ein anderer Faktor.

00:28:15: Sie haben gerade gesagt, das ist jetzt online zugänglich, wer nutzt das denn jetzt?

00:28:21: Also sind das dann Chirurgen, die ins Gehirn rein müssen oder sind das auch Neurolog*innen

00:28:26: oder sagen Sie mal einen Fall aus der Praxis, wo jetzt jemand sagen würde, da muss ich mal

00:28:30: den Atlas rein gucken?

00:28:31: Da gibt es ganz viele Anwender*innen, also ich würde sagen die ersten waren wirklich

00:28:35: die neuere Wissenschaftler, die gesagt haben, wir haben hier eine bildgebende Studie an

00:28:40: probanten gemacht, die eine Aktivierung im Gehirn zeigen, aber wir wissen nicht genau,

00:28:46: wo ist denn jetzt diese Aktivierung, ist die neben einen Areal oder ist dem anderen Areal?

00:28:50: Und dann hilft natürlich der Atlas zu entscheiden, in welchem Areal die Aktivierung ist und

00:28:55: dann kann man mit dieser Art von Verständnis, Verbindung zwischen Struktur und Funktionen

00:29:00: herstellen.

00:29:01: Eine Anwendung wäre zum Beispiel in dem Sonderforschungsbereich, wo ja Instinctionslernen untersucht

00:29:07: wird.

00:29:08: Hier fehlt ja die Amygdala, eine sehr große Rolle und die Amygdala ist nicht ein homogener

00:29:13: Kernkomplex, sondern besteht aus ganz vielen unterschiedlichen Kernen, die in sehr sehr

00:29:18: verschiedene Funktionalitäten eingebunden sind und wenn man jetzt die Karte nimmt von

00:29:22: der Amygdala, die wir hergestellt haben, hätte man bis zu zehn verschiedene Unterkerne

00:29:28: definiert, die einem dann helfen, wenn man Bildgebung untersucht, wo letztendlich eine

00:29:33: bestimmte Aktivierung ist, zum Beispiel bei Angstverhalten oder bei einer Furchtreaktion.

00:29:38: Das ist also eine große Gruppe von Anwendungen, die ich sehe.

00:29:43: Eine zweite sind natürlich die klinischen Neurowissenschaften, aber auch Neurologie

00:29:48: natürlich und Psychiatrie.

00:29:49: Und die Frage ist zum Beispiel, wenn ich einen Tumor sehe bei einem Patienten im Bereich

00:29:56: der Broker-Region, welche Areale genau dieser sprachrelevanten Regionen umfasst dann dieser

00:30:02: Tumor, geht der vielleicht mit in motorische Gebiete rein oder liegt der ein Stück weiter

00:30:07: nach vorne gerichtet und das hat ja dann Bedeutung, wenn ich an die Operation denke diesen Tumor

00:30:13: dann zu entnehmen, dann versucht man natürlich besonders wichtige Gebiete wie Sprache oder

00:30:19: Bewegung zu schonen und den Tumor möglichst platzsparend rauszunehmen, aber natürlich

00:30:24: auch so rauszunehmen, dass er sich danach nicht gleich wieder ausbreitet.

00:30:28: Das wäre also auch ein Beispiel oder ein drittes wäre, wo ich hoffe, dass wir in der Zukunft

00:30:34: mehrere Angebote haben bei tieferen Stimulationen.

00:30:37: Kann ich mir das so vorstellen, dass dann diese Forscher aus den Beispielen, die sie genannt

00:30:42: haben, quasi immer ihre Bilddaten mit den Hirnatlasdaten abgleichen, entweder nebeneinander

00:30:48: oder übereinander legen und dann sagen also bei uns hat das hier ausgeschlagen und jetzt

00:30:51: gucke ich im Atlas nach, was das für ein konkretes Areal ist.

00:30:54: Das wäre ein ganz konkreter Use Case, wie wir das so sagen, aber es gibt natürlich auch

00:30:58: Software Tools, die Ihnen das als Forscher schon abnehmen und die das endlich diese Überlagung

00:31:03: herstellen und sagen dann mit 40 Prozent bist du hier oder der Peak deiner Aktivierung liegt

00:31:09: genau in diesem Bereich.

00:31:10: So ist die Idee.

00:31:12: Und wem steht das zur Verfügung?

00:31:14: Die Daten sind fair data, das ist ja ein ganz wichtiges europäisches Anliegen und auch

00:31:19: in Deutschland ein wichtiges Anliegen, das heißt die sind auffindbar, man kann sie anwenden

00:31:25: für seine eigenen wissenschaftlichen Ziele und man kann sie sich herunterladen.

00:31:29: Also jedem Wissenschaftler, jeder Wissenschaftlerin stehen die zur Verfügung.

00:31:32: Auch wenn Schüler, Schülerinnen das mögen, können sie in den Atlas gehen und mal schauen,

00:31:36: wie der in so einem Gehirn aussieht oder auch der interessierte Leie kann das auch.

00:31:41: Ich schaue jetzt gerade meinen Redakteur an, könnten wir quasi in den Show Notes etwas

00:31:46: verlinken, dass unsere Zuhörenden in den Hirnatlas reinschauen können?

00:31:50: Ja, unbedingt.

00:31:51: Also das ist jetzt hier ganz klare Empfehlung von uns im Anschluss an diesen Podcast einmal

00:31:56: in den Hirnatlas hineinzuschauen.

00:31:58: Wir wollen jetzt gleich natürlich auch noch ein bisschen tiefer ins Gehirn reinsteigen

00:32:02: und auch darüber sprechen, was noch herausgefunden wurde, wo vielleicht die Grenzen des Systems

00:32:08: sind und wohin die Forschung weitergeht.

00:32:11: Vorher gibt es aber wie immer noch ein bisschen Futter für euer Gehirn.

00:32:14: Hier kommt unser Neurusschort-Cut.

00:32:15: Wusstest du schon, dass die Hirnforschung entscheidender Erkenntnisse einem historischen

00:32:22: Arbeitsunfall verdankt?

00:32:24: Im Jahr 1848 arbeitete der 25-Jährige Phineas Gage als Vorarbeiter beim Schienenbau in

00:32:30: Vermont.

00:32:31: Bei der verfrühten Explosion einer Sprengladung durchschlug eine große Eisenstange den Schädel

00:32:36: und damit den Frontallappen des Gehirns von Phineas Gage.

00:32:40: Der überlebte den Unfall mit einer großen Hirnverletzung und einem verlorenen Auge,

00:32:45: begab sich nach kurzer Bewusstlosigkeit nach Hause und wartete dort geduldig auf seinen

00:32:49: Arzt.

00:32:50: Der behandelte die große Schädelverletzung, die wie durch ein Wundergut verheilte.

00:32:54: Gage lebte nach seinem Unfall noch ganze 12 Jahre lang ein Leben unter relativ normalen

00:32:59: Bedingungen.

00:33:00: Vier Jahre später siedelte er sogar nach Schiele um und arbeitete dort als Postkutscher.

00:33:04: Aber er durchlebte mindestens für einige Zeit Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderung

00:33:10: und hatte immer wieder epileptische Anfälle.

00:33:13: Er war jetzt sprunghafter, unverbindlicher und effektiver als zuvor, sodass sein Arzt

00:33:18: ihn als kindisch beschrieb.

00:33:19: Was hat dieser Unfall nun mit Hirnforschung zu tun?

00:33:23: Vor diesem Ereignis ging man davon aus, dass im Gehirn ganz bestimmte Areale für ganz

00:33:28: bestimmte Fähigkeiten, Eigenschaften und Persönlichkeitszüge zuständig seien.

00:33:31: Aber die Tatsache, dass ein Mensch sogar mit einem über 3 cm großen Loch im Gehirn

00:33:37: leben, denken, sprechen, lernen, fühlen und sich erinnern kann, veränderte das Grundverständnis

00:33:42: des Gehirns.

00:33:43: Vor allem ebnelte der Unfall von Phineas Gage den Weg für ein neues Verständnis davon,

00:33:49: welche Hirnfunktionen in welchen Arealen liegen.

00:33:52: Der Fall zeigte, dass für viele kognitive Operationen ganz verschiedene Hirn Areale

00:33:57: zusammenarbeiten und dass viele Eigenschaften, kognitive Funktionen und Emotionen nicht

00:34:02: an einem Ort lokalisiert sind, sondern oft verteilt in ganz verschiedenen Regionen.

00:34:07: Und auch das zeigt der Fall von Phineas Gage.

00:34:10: Das Gehirn kann mit etwas Glück sogar große Schäden kompensieren.

00:34:14: Es kann lernen und umlernen.

00:34:16: Frau Amon, Sie haben eben davon gesprochen, dass der Hirnatlas oder dass den Wissenschaftlerinnen

00:34:26: quasi in der Anwendung dieses Big Brains teilweise auch Arbeit abgenommen werden kann.

00:34:31: Wenn ich mir jetzt diesen Hirnatlas ein bisschen vorstelle wie Google Maps, vielleicht sogar

00:34:35: in Verbindung mit einer KI, ist das dann so, dass da auch Metadaten hinterlegt sind, wie

00:34:41: zum Beispiel bei Online-Karten, weil sich ja da und da ist eine Tankstelle und wenn ich

00:34:45: noch etwas essen will, dann kann ich dahin fahren, ist quasi das jetzt nicht nur eine

00:34:49: Karte des Gehirns, sondern da sind eben auch solche Metadaten hinterlegt, so dass eben

00:34:54: Ärzte oder Forscherinnen und Forscher da Hilfestellungen kriegen und ja Unterstützung finden.

00:34:59: Metadaten sind Grundvoraussetzungen, denn wenn man die Daten nicht ordentlich und sauber

00:35:04: beschreibt, dann kann man ja als unbeteiligter Mensch überhaupt nicht nachvollziehen, was

00:35:10: diese Daten selber bedeuten.

00:35:12: Und wir haben sehr viel Wert darauf gelegt und auch viel Entwicklung reingesteckt, ein

00:35:17: sogenanntes Metadatenschema zu entwickeln, was es eben erlaubt, neurowissenschaftliche

00:35:22: Daten sehr umfassend zu beschreiben.

00:35:24: Also solche Beschreibungen werden zum Beispiel geschlecht oder alter oder Hirnregionen oder

00:35:30: mit welcher Methode wurden die Daten erhoben, wo sind die Daten gespeichert, wo sind sie

00:35:37: publiziert, also all das sind Metadaten und die sind sehr, sehr umfangreich.

00:35:40: Die kann man in E-Prints, im sogenannten Knowledge-Graf, kann man diese ganzen Metadaten

00:35:46: einsehen und kriegt dann Eindruck, was da alles dahinter steht.

00:35:49: Aber der zweite wichtige Punkt, der dahinter steht, das ist eben die Software, weil genauso

00:35:54: wie bei Google Maps, möchte man ja nicht nur wissen, aha, man ist es gerade in Deutschland

00:35:58: und wir sind in Jülich, im Forschungszentrum vielleicht, sondern man will ja diese Daten

00:36:03: irgendwie aktiv nutzen.

00:36:04: Also man will ja zum Beispiel sagen, ich bestelle mir heute Abend einen Platz in einem Restaurant,

00:36:08: was möglichst nur fünf Kilometer weit entfernt ist.

00:36:10: Das ist ja was, was man machen kann heute über das Internet und genauso muss man sich für

00:36:14: die Hirnforschung letztendlich diesen Atlas vorstellen.

00:36:17: Man hat die Möglichkeit, einfach durchzuschreuen und sich das Gehirn anzuschauen, aber man

00:36:22: kann eben auch über APIs, über eine Python-Librärie sich selber Skripte schreiben und sich bestimmte

00:36:30: Daten aus dem Atlas herausziehen.

00:36:32: Man braucht ja nicht immer alle Daten, man möchte ja manchmal bestimmte Daten nur haben

00:36:36: für eigene Wissenschaften.

00:36:37: Und je nach Niveau, ob man jetzt Beginner ist oder ob man Programmierer ist oder ob man

00:36:43: Psychologin ist oder Mediziner, für alle diese verschiedenen Levels gibt es letztendlich

00:36:50: Möglichkeiten, mit dem Atlas zu arbeiten.

00:36:52: Und wir haben für den Atlas eine Siebra-Toolsuite entwickelt, das muss man sich so wie ein Software-Paket

00:36:58: vorstellen, mit dem man sich Daten herausziehen kann oder sich anschauen kann.

00:37:02: Warum ist es wichtig?

00:37:04: Na ja, man kann natürlich zum Beispiel einen Excel, einen bestimmten Arbeitsfluss automatisieren,

00:37:11: aber irgendwann hört es auf, irgendwann macht Excel keinen Sinn mehr, wenn man viele tausend

00:37:16: Zeilen hat, wird das einfach unpraktisch und dann braucht man letztendlich ein kleines

00:37:20: Programm, was einem hilft, diese ganzen Daten zu verwalten.

00:37:23: Und so ähnlich ist das natürlich auch bei den Hirndaten und Siebra hilft das.

00:37:27: Und dann sehen wir eben, dass dieses Siebra-Tool, was eben der technische Hintergrund des Atlas

00:37:33: ist und Timo Dickscheid entwickelt wurde aus meinem Institut, dass dieses Siebra dann

00:37:40: eben ermöglicht, dass der Atlas für ganz neue, auch für klinische Anwendung interessant

00:37:45: sein wird.

00:37:46: Und wir haben ja vorhin gesprochen, was bringt der Atlas eigentlich?

00:37:49: Und ich würde da gerne die Zusammenarbeit mit dem Victor Joseph aus Marseille auflisten.

00:37:55: Das ist ein theoretischer neue Wissenschaftler, der sehr eng mit den Neurologen in Marseille

00:37:59: zusammenarbeitet und in Marseille läuft im Moment noch die erste klinische Studie für

00:38:07: die Optimierung von Epilepsie-Operationen.

00:38:10: Epilepsie bedeutet ja, dass Patientinnen oder Patienten an Krampfanfällen leiden und diese

00:38:16: Krampfanfälle entstehen, weil entstimmte Hirnregionen, Zellen sich entladen und dann sozusagen nicht

00:38:23: mehr gebremst werden können und diese Entladung sich übers Gehirn ausdehnen.

00:38:27: Und wenn das sehr schwerer Fälle sind, dann muss man operativ diese Region entfernen,

00:38:32: damit der Patient ruher hat, damit er nicht da und von einem Anfall in den anderen reinkommt.

00:38:36: Und wie macht man das?

00:38:38: Als Arzt versucht man natürlich, oder als Chirurg, Chirurgen möglichst viel zu entfernen,

00:38:43: damit der Patient am Ende ein gutes Ergebnis hat.

00:38:45: Aber man will natürlich auch nicht viel entfernen, weil man ja nicht Gewege entfernen will, was

00:38:51: eben Hirngewebe ist und was vielleicht gebraucht wird an anderer Stelle.

00:38:55: Also wie findet man das Optimum?

00:38:57: Und da hilft auch wieder eine Software oder ein theoretischer Ansatz, das heißt the

00:39:01: virtual brain, das virtuelle Gehirn.

00:39:03: Und mithilfe dieses virtuellen Gehirns kann man Patientendaten dieses konkreten Patienten

00:39:10: aus der Bildgebung verknüpfen mit theoretischen Ansätzen, verknüpfen mit Atlas, Daten, um

00:39:16: dann für einen Patienten einen Zugang zu berechnen, der für diesen Patienten besonders

00:39:22: gut geeignet ist.

00:39:23: Stichwort Variabilität kommt da wieder rein.

00:39:26: Und die Hoffnung ist, wenn dieser klinische Versuch abgeschlossen ist, dass man da wirklich

00:39:31: eine Verbesserung in der Erfolgsrate bei Epilepsie-Operationen erreicht.

00:39:35: Wir sind alle ganz gespannt, ob das gelingt und ob durch diese Kombination von ganz verschiedenen

00:39:40: Ansätzen letztendlich einzelnen Patienten geholfen werden kann.

00:39:45: Und ich finde das extrem, ich finde es extrem wichtig, dass am Ende eben solche auch grundlagenwissenschaftlichen

00:39:50: Ansätze, auch sowas wie das jungen Brain-Projekt, dass die dann auch nutzen haben in der Medizin.

00:39:55: Und das ist eigentlich ein Beispiel, was ich sehr gerne nenne, weil man da wirklich sieht,

00:40:01: dass es einen Mehrwert hat, sich eben auch zusammenzuraufen über Ländergrenzen, über

00:40:06: Fachdisziplinen hinweg, um etwas zu erreichen, was man in seinem engeren Forschungsfeld wahrscheinlich

00:40:12: so nie hätte hinkriegen können.

00:40:14: Ja, das ist ein schönes Beispiel.

00:40:17: Wir sagen natürlich, es ist Grundlagenforschung, aber ich finde das ist schon eine sehr praktische

00:40:21: Anwendung und leuchtet, glaube ich, auch uns Leyen sehr ein, wie dort, durch Verknüpfung

00:40:28: der Daten und auch aufgrund der wirklichen Datenmengen, die da jetzt zur Verfügung stehen,

00:40:33: Ergebnisse erzielt werden, die dann dem Individuen helfen.

00:40:36: Also wir verknüpfen wirklich individuelle Patientendaten mit diesen Big Data-Daten und

00:40:42: können dann individuelle Lösungen schaffen.

00:40:44: Das klingt wirklich gut, das klingt fantastisch.

00:40:46: Aber ich muss trotzdem natürlich fragen, wo sind denn vielleicht jetzt die Grenzen dieses

00:40:52: Systems?

00:40:53: Ich habe gelesen, dass der Big Brain Atlas eine Auflösung von 20 Mikrometern hat.

00:40:57: Ich kann mir jetzt nicht genau vorstellen, ob das gut oder ob das schlecht ist.

00:41:01: Sie haben eben gesagt, man kann einzelne Zellen tatsächlich kennen, aber stößt das System

00:41:07: an Grenzen oder ist das jetzt erstmal genug, um damit weiterzuarbeiten oder brauchen wir

00:41:13: jetzt relativ bald ein Upgrade?

00:41:14: Sie haben schon gesagt, es wird eigentlich ständig, werden Updates reingeladen, wie

00:41:19: ist da der Stand im Moment?

00:41:20: 20 Mikrometer sind genau genug, um große Zellen zu sehen, aber kleine Zellen, die vielleicht

00:41:27: nur 10 Mikrometer groß sind und nur 7 Mikrometer, die kann man nicht als einzelne Zellen erkennen.

00:41:32: Das sieht so aus, wie wenn man mit einem Fernglas guckt und man hat es nicht richtig scharf gestellt,

00:41:38: so ähnlich muss man sich das vorstellen.

00:41:39: Also ist unser nächstes Ziel, weil wir natürlich das auch als Begrenzung empfinden, dass man

00:41:45: halt die Kleinen nicht sehen kann, wirklich runterzugehen auf die einzelne Nervenzellen

00:41:50: und das bedeutet auf 1 Mikrometer Auflösung zu gehen.

00:41:54: 1 Mikrometer ist etwa das, was man mit einem normalen Lichtmikroskop sehen kann.

00:41:59: Und dann sieht man nicht nur die einzelnen Zellen, sondern man kann auch erkennen, wie die Zellen

00:42:03: geformt sind.

00:42:04: Man sieht, welche Fortsätze sie haben und man sieht sehr viel genauer, wo sie sich befinden.

00:42:10: Das heißt, man hätte da schon mal nochmal mehr Informationen, man spricht nicht nur von

00:42:15: 86 Milliarden Nervenzellen, sondern auf einmal kann man die Zellen unterteilen in verschiedene

00:42:21: Arten von Nervenzellen und es gibt sehr, sehr viele von Nervenzellen, die haben alle unterschiedliche

00:42:26: Funktionalitäten und wir wollen natürlich genauer wissen, welche Nervenzellen sind es

00:42:31: denn vielleicht, die an einer bestimmten Stelle aktiv werden oder für die Funktionen besonders

00:42:36: wichtig sind.

00:42:37: Und das ist etwas, woran wir sind.

00:42:40: Also wir wollen das 1 Mikrometer Gehirn bauen und haben eben dazu eine Voraussetzung, würde

00:42:47: ich sagen, aber es ist eine immense Aufgabe, vor der wir stehen, in Bezug auf die Logistik,

00:42:53: auf die Daten, auf die histologische Technik, auf das NASLabor, was dahinter steht und dafür

00:42:59: brauchen wir auch am Ende den Exer-Scale-Computer, den wir ja am Anfang schon mal kurz benannt

00:43:03: hatten.

00:43:04: Reicht es aus?

00:43:05: Ich denke, es reicht für viele Fragestellungen aus.

00:43:07: Gleichwohl wissen wir ja, dass nicht nur die Zellolehrer-Architektur des Gehirns wichtig

00:43:14: ist, um Hirnfunktionen zu verstehen, sondern zum Beispiel auch, wie sieht denn die Genetik

00:43:18: in jeder einzelnen Zelle aus und es gibt jetzt Single Cell Genomics, man kann sozusagen die

00:43:25: Genexpressionen in jeder einzelnen Zelle untersuchen oder auch in Arealen, das sind natürlich

00:43:30: auch Informationen, die man am Ende versuchen wird, zu verknüpfen.

00:43:35: Also ich glaube nicht, dass man 1 Mikrometer Gehirne jetzt für jeden Zelltyp hat am Ende,

00:43:40: aber dieses 1 Mikrometer Gehirn wird es uns ein Stück näher bringen, dass wir sozusagen

00:43:45: eine Grundlage haben, um andere Informationen von anderen Labs zum Beispiel zur Genexpression

00:43:52: oder die molekularen Eigenschaften oder bestimmte Netzwerkeigenschaften diese Zellen, um die

00:43:58: eben besser abbilden zu können.

00:43:59: Also ich sehe das eher als ein Instrument, wie sonst Gillette, an das man ganz verschiedene

00:44:05: Dinge letztendlich dann ranhängen kann und miteinander in Verbindung bringen kann und

00:44:10: da gibt es noch viel zu tun und da haben Sie schon recht, es gibt immer wieder neue Herausforderungen,

00:44:15: von denen wir stehen.

00:44:16: Ja, das klingt total spannend, aber wenn Sie schon sagen, die Voraussetzungen sind

00:44:21: eigentlich da, dann ist es ja wahrscheinlich jetzt einfach eine Frage der Zeit und eine

00:44:26: Frage von der Verbindung von Ressourcen und der entsprechenden, ja oder vielleicht können

00:44:32: Sie mal sagen, es gibt nicht mehr das Human Brain Project, also in welchem Kontext passiert

00:44:36: das denn dann jetzt bei Ihnen in Jülich, welche Leute arbeiten denn da jetzt dran, weil Sie

00:44:41: haben eben schon gesagt, es ist eigentlich eine Aufgabe, für die es sehr, sehr viele

00:44:44: Menschen aus verschiedenen Bereichen braucht, jetzt hat dieses Human Brain Project geendet.

00:44:50: Wer arbeitet jetzt daran?

00:44:51: Ist das jetzt Ihre Forschungsgruppe, kommen da trotzdem noch Forscherinnen aus dem Ausland

00:44:55: dazu?

00:44:56: Wo wird das alles gerade gebündelt?

00:44:57: Als das Human Brain Project beendet wurde, hatten wir das Glück, dass wir praktisch ein

00:45:03: paar Monate später einen weiteren Förderantrag für die Fortführung der Infrastruktur ein

00:45:10: werben konnten.

00:45:11: Ibrins 2.0 ist also ein Projekt, was sich damit beschäftigt, diese Forschungsinfrastruktur,

00:45:18: zu der eben der Atlas beiträgt, weiterzuentwickeln und auch anzubieten.

00:45:21: Da gehört ja viel Service dazu und auch Support, wenn mal was nicht funktioniert.

00:45:26: Also dieser Rahmen, der ist sozusagen gesichert jetzt erstmal in diesen Jahren und das ist

00:45:31: ja eine wichtige Grundlage.

00:45:32: Das heißt, Wissenschaftlerinnen wie ich, wir können uns jetzt darauf natürlich fokussieren

00:45:38: auch unsere eigenen wissenschaftlichen Projekte, wie eben dieses One Micron Gehirn weiter

00:45:45: fortzuführen.

00:45:46: Und natürlich mache ich das auch nicht alleine, ich mache es zum Beispiel mit den Kollegen

00:45:51: vom Juli Super Computing zusammen, weil der Datensatz riesig groß ist.

00:45:55: Wir erwarten zwei bis drei Petabyte.

00:45:57: Zwei bis drei Petabyte, das ist nichts, was man sich unter seinen Schreibtisch stellt

00:46:01: als Datenspeicher, sondern das sind wirklich Daten, wo man sich sehr genau überlegt, wann

00:46:06: fasst man die an, wann verschiebt man sie, was will ich damit machen, wie ist der Zugriff

00:46:10: geregelt.

00:46:11: Und auch das ist also ein stark interdisziplinäres Projekt, aber wir führen das fort.

00:46:15: Die HMW-Gemeinschaft bietet gute Rahmenbedingungen insgesamt und wir können dann im Zusammenhang

00:46:22: eben mit europäischen Projekten natürlich wieder auch mit deutschen Projekten, nationalen

00:46:27: Projekten, so was dann auch fortführen.

00:46:29: Haben wir inzwischen eigentlich alle Hirnregionen kartiert oder gibt es noch dunkle Flecken?

00:46:36: Also ich gehe mal davon aus, wenn man 7000 Scheiben hat, man hat dann überall mal reingeguckt.

00:46:40: Aber es geht ja auch um die Funktion und es sind jetzt nun mal tote Gehirne und Sie haben

00:46:46: schon gesagt, es lässt sich dann Daten auch miteinander verknüpfen.

00:46:50: Ich kann die Atlas-Daten dann mit anderen Bilddaten verknüpfen, um vielleicht dort mehr über

00:46:55: die Funktionen zu erfahren und haben Sie darüber über diese Arbeit, über diese Forschung jetzt

00:47:00: auch gesehen, wo noch dunkle Flecken sozusagen sind, wo man nicht genau versteht, was da

00:47:05: vor sich geht.

00:47:06: Also es gibt 2 Arten von dunklen Flecken, würde ich sagen.

00:47:09: Manchmal haben wir Hirnareale beschrieben, die noch nie jemand zuvor beschrieben hat

00:47:15: und von denen wir noch nicht wissen, was ihre funktionelle Rolle ist.

00:47:18: Das ist ja nicht immer eine einfache Funktion wie Bewegung oder Gesichterkennung, sondern

00:47:23: solche Funktionen sind ja sehr viel anspruchsvoller und schwieriger zu beschreiben.

00:47:29: Manchmal ist es nur ein kleiner Bereich für ein großes Netzwerk.

00:47:33: Also es gibt viele Areale, von denen wir nicht wissen, was ihre besondere Rolle in einem

00:47:37: Netzwerk ist.

00:47:38: Und dann gibt es noch wirklich Gaps, von denen wir wissen, dass wir sie noch genauer kartieren

00:47:43: müssen.

00:47:44: Also wir können sehr genau sagen, in dieser Hirnregion gehen wir davon aus, dass da noch

00:47:49: 2, 3 oder 4 verschiedene Areale dahinter liegen, die wir noch nicht kennen.

00:47:53: Also wir wissen sehr genau, wie die Region ist, aber wir haben sie noch nicht kartiert.

00:47:58: Man kann sich das gleich so vorstellen, dass man sagt, hier ist Afrika, es ist eindeutig

00:48:03: ein Kontinent.

00:48:04: Wir wissen von wo bis wo er geht, aber wie viele Länder zu Afrika gehören, das wissen wir

00:48:08: leider noch nicht.

00:48:09: Und wir wissen leider auch noch nicht, was die Länder ausmacht, was ihre klimatischen,

00:48:13: politischen, anderen Bedingungen sind, das müssen wir erst noch erforschen.

00:48:16: Und solche Regionen gibt es immer noch, wir haben die zusammengefasst in Gap Maps und

00:48:22: sind da jetzt dran, letztendlich auch diese letzten schwarzen Flecken zu beseitigen und

00:48:28: dann eben noch mal mehr Details zu bringen.

00:48:31: Und ist das schon so, dass man diese Forschungsergebnisse auch als Forschungserfolge wahrnimmt?

00:48:42: Ich habe ja am Anfang auch schon gesagt, dass das Gehirn mit eigentlich die komplexeste

00:48:46: Struktur ist, die wir so kennen und beobachten können und da natürlich in der Natur der

00:48:51: Sache liegt, dass wir oder man muss mit der Möglichkeit leben, dass wir es vielleicht

00:48:56: nie ganz verstehen können und gleichzeitig müssen sie ja als Forscherin davon ausgehen

00:49:00: oder die Motivation haben, doch, doch, wir wollen das entschlüsseln.

00:49:03: Sie beschäftigen sich jetzt ihr Forscherin Leben lang schon damit.

00:49:07: Also können Sie sich schon jetzt sagen nach jahrzehntelanger Arbeit an diesem Thema, ich

00:49:13: habe immer noch das Gefühl entscheidende Schritte machen zu können oder merken Sie

00:49:16: auch, dass irgendwo so ein Art Glass-Sealing ist und da kommt man irgendwie nicht weiter.

00:49:20: Also ich denke, dass die letzten zwei, drei Jahrzehnte eigentlich sehr deutlich gezeigt

00:49:25: haben, dass wir viel mehr verstehen, was Hinter-Komplexität, also was da überhaupt

00:49:30: hinter steht.

00:49:31: Wahrscheinlich würde jeder sagen, ja, das ist komplex und man hat so eine Intuition,

00:49:34: was Komplexität ist, aber was ist es genau letztendlich, was macht diese Komplexität

00:49:40: aus und wenn wir Gehirn der Kartieren, dann kann man sich in erster Annäherung vielleicht

00:49:44: so vorstellen, dass da eine Parzellierung ist, eine Karte, wie wir halt eine Karte der Welt

00:49:50: haben mit vielen Ländern und vielen Grenzen, aber dahinter tut sich dann eine weitere Ebene

00:49:55: auf, dass wir sehen, bestimmte Areale sind ähnlicher zueinander, haben vielleicht

00:50:00: ähnliche Funktionen, dann sehen wir, die Areale sind vielleicht innerhalb doch nicht

00:50:05: so homogen, wie man vielleicht am Anfang gedacht hätte und dann kommt man eigentlich

00:50:10: sehr, sehr schnell darauf, dass ein Teil dieser Komplexität der Multiskalenansatz ist, den

00:50:16: wir nutzen, um das Gehirn zu beschreiben.

00:50:19: Was bedeutet das? Das Gehirn agiert als Organ, aber eben von der Ebene von einzelnen Molekülen,

00:50:26: von Genen, von Zellen, von kleinen Schaltkreisen von Zellen bis zu großen Schaltkreisen von

00:50:32: Zellen und diesen ganz, ganz großen Netzwerken, die wir sehen im Scanner, wenn ein Mensch eine

00:50:37: bestimmte Aufgabe ausführt.

00:50:39: Und auf jeder dieser einzelnen Ebene gibt es Prinzipien der Zusammenarbeit der einzelnen

00:50:45: Elemente, also Zellen haben wir ihre besonderen Eigenschaften und können Informationen übertragen

00:50:51: über Synapsen.

00:50:52: Und wir können das relativ gut beschreiben und wissen, was passiert, wenn eine Zelle

00:50:57: an eine andere ein Signal schickt.

00:50:59: Aber was hat das jetzt damit zu tun, dass ein größeres Netzwerk funktioniert?

00:51:03: Wie viele von diesen Zellen braucht man denn?

00:51:05: Wie schaffen die das denn, dass Zellen, die zehn Zentimeter voneinander entfernt sind

00:51:10: in einer gescheiten Art und Weise, auch nach relativ schnellen Art und Weise zusammen agieren

00:51:15: können?

00:51:16: Und da denke ich, dass eine der großen Herausforderungen jetzt der nächsten Jahre sein wird, zu verstehen,

00:51:21: wie man sozusagen von einer räumlichen Ebene, zum Beispiel der Zelle, auf die nächste räumliche

00:51:26: Ebene, zum Beispiel dieses großen Netzwerk kommt oder dass man versteht, wenn ein einziger

00:51:32: Bodenstoff irgendwo an einer Synapse ausgeschüttet wird, wie hilft uns das zu verstehen, auch

00:51:38: wiederum das große Netzwerke agieren?

00:51:40: Oder was passiert, wenn ein bestimmter Umwelteinfluss auf uns einwirkt über viele Jahre?

00:51:47: Wie spiegelt sich das wieder in der Hirnstruktur, wenn wir zum Beispiel an die Entstehung von

00:51:53: Krankheiten denken?

00:51:54: Das heißt, dieses Überbrücken, dieses wirklich frei sich bewegen zwischen den einzelnen

00:51:59: räumlichen Ebenen, das ist etwas, wo wir gerade aus meiner Sicht erst anfangen.

00:52:03: Da tut es gut, wenn man einen guten Atlas hat, aber es ist klar, dass das natürlich nur

00:52:08: ein Schritt ist, der einem hilft, sich zu orientieren, aber das ist natürlich noch ganz viele Fragen

00:52:12: offen sind.

00:52:13: Ich finde das aber eher anspornd, ehrlich gesagt.

00:52:16: Aber das klingt ja wirklich schon so, als ob Sie jetzt auch durch den Hirn Atlas wirklich

00:52:20: große Schritte getan haben und dadurch jetzt überhaupt in der schönen Position sind all

00:52:24: diese neuen Forschungsfragen, wie Sie gerade genannt haben, überhaupt angehen zu können.

00:52:30: Und da scheint ja auch noch viel in den nächsten Jahren an spannenden Erkenntnissen auf uns

00:52:34: zu warten.

00:52:35: Ich denke, dass wirklich große Fortschritte gemacht wurden, auch den man natürlich auch

00:52:40: dann sieht, wenn wir an dem Bereich der Medizin denken, also in der Art und Weise, wie bestimmte

00:52:45: Erkrankungen behandelt werden können, mit welcher Genauigkeit, mit weniger Nebeneffekten

00:52:50: letztendlich durch Therapien.

00:52:51: Also da sehen wir schon richtig große Schritte und natürlich sind solche Schritte in der

00:52:56: Anwendung nur möglich, wenn man das mit der Grundlagen Wissenschaft fordert und immer

00:53:01: wieder füttert.

00:53:02: Eigentlich wäre meine Frage in dieser Stelle immer, inwieweit jetzt auch moderne Computertechnologie

00:53:08: und vor allen Dingen KI-Technologien Ihnen bei Ihrer Forschung helfen.

00:53:11: Wir haben das jetzt zwischen den Zahlen schon rausgehört, aber Sie haben am Anfang ja

00:53:15: auch gesagt, dass gerade beim Human Brain Project auch Unternehmen aus der Informationstechnologie

00:53:20: mit beteiligt waren und ich könnte mir vorstellen, dass Ergebnisse Ihrer Forschung eigentlich

00:53:25: wiederum den Unternehmen, die KI-Technologie entwickeln, helfen, wenn man das Gehirn besser

00:53:29: versteht.

00:53:30: Ist das tatsächlich so, dass Ihre Erkenntnisse auch in der Informatik Anwendung finden,

00:53:35: um KI-Technologien besser zu machen?

00:53:37: Ja, das ist ein ganz neues Feld, was gerade sich entwickelt und sehr lautstark sich bemerkbar

00:53:42: macht, die sogenannte Neuro-EI oder Neuro-KI und da sagt man, in der Tat können wir davon

00:53:48: lernen, wie die Netzwerke in unserem Gehirn verschaltet sind, wie die funktionieren, daraus

00:53:53: können wir etwas ableiten, wie künstliche neuronale Netze funktionieren sollten oder

00:53:59: können.

00:54:00: In der Tat haben wir im Human Brain Project da sehr gute Wissenschaftler oder sehr gute

00:54:04: Gruppen gehabt, die das machen, Reiner Göbel in Maastricht wäre hier vielleicht zu nennen,

00:54:10: der hat in der Tat mit seinem Team versucht zu verstehen, wie sind denn die Netzwerke,

00:54:16: die im Gehirn von Menschen im Scanner aktiviert werden, wenn diese Menschen etwas sehen und

00:54:21: im Ergebnis eine Bewegung machen sollen.

00:54:23: Wir nennen das visomotorische Koordination, also wie wird unser Sehen mit unserer Motorik

00:54:29: koordiniert?

00:54:30: Das ist eine ganz interessante grundlagenwissenschaftliche Frage, aber was Reiner gemacht hat war,

00:54:35: er hat das in einen Schaltdiagramm gebracht, also hat sozusagen einen Fluss von Entscheidungen,

00:54:41: wo passiert was gemacht, wie man sich so ein Flussdiagramm vorstellt und hat das dann

00:54:47: in einen virtuellen Roboter hineingebracht, programmiert in einen virtuellen Roboter.

00:54:53: Und was jetzt zur Verfügung steht, ist eine Simulation einer Roboterhand mit sehr sehr

00:54:59: vielen Freiheitsgraden, mit Gelenken, wie wir das von unserer Hand auch kennen und dieser

00:55:03: Roboter hat nun Eigenschaften, die ihm ermöglichen, schneller zu lernen, bestimmte komplexe Handbewegungen

00:55:10: zu machen, als wenn man das nicht hätte.

00:55:12: Das heißt, dieses Neuro-Inspirierte oder vom Gehirn abgeschaute hat offensichtlich Vorteile,

00:55:19: wenn wir an die Koordination von Bewegungen im Bereich der Robotik denken.

00:55:23: Und das ist natürlich eine sehr interessante Entwicklung, die sich gerade immer mehr verstärkt

00:55:29: und wo ich denke, dass wirklich in den nächsten Jahren wir da noch sehr sehr viel sehen werden.

00:55:33: Es ist wirklich spannend, die Cyborgs stehen vor der Tür mit ihren künstlichen Gehirn.

00:55:39: Frau Amons, ich könnte stundenlang mit Ihnen weiter reden über dieses spannende Thema,

00:55:44: allein die praktischen Aspekte, wie man so ein Gehirn in den Scheiben schneidet, wie

00:55:48: man es scant, was man entdeckt, wenn man sich auf Reise durch den Atlas begibt.

00:55:53: Ich würde hier einfach nochmal wiederholen an dieser Stelle und unsere Zuhörerinnen

00:55:57: ermutigen, vielleicht einfach selber mal sich auf Reise, auf eine Reise durch das Gehirn

00:56:01: zu begeben und den Big Brain Atlas auszuprobieren.

00:56:05: Würde Ihnen aber jetzt am Ende gerne auch nochmal die Möglichkeit geben, uns noch etwas

00:56:09: an Fakten oder Wissen über das Gehirn mitzugeben, was wir jetzt vielleicht nicht angesprochen

00:56:14: haben, wo für die Zeit das nicht mehr reicht, oder was ist so Ihre Take-Home-Message an

00:56:20: unsere Zuhörer denn heute?

00:56:21: Oh, das ist schwierig so, so kurz zusammenzufassen.

00:56:24: Ich denke, das Gehirn ist wirklich eines der faszinierendsten Forschungsobjekte, mit denen

00:56:29: sich die Wissenschaft beschäftigen kann.

00:56:31: Es ist aber auch ganz notwendig, sich damit zu beschäftigen, weil es endlich neurologische

00:56:36: und psychiatrische Erkrankungen wirklich etwas sind, was uns als Gesellschaft ganz stark

00:56:42: betrifft.

00:56:43: Das sind die Erkrankungen, wo die meisten sozusagen ja Lebenstage verloren gehen.

00:56:49: Und wenn wir als Patientinnen, als Patienten damit konfrontiert sind, dann ist das wirklich

00:56:54: sehr, sehr einschneidend.

00:56:55: Und wir müssen es eigentlich als Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler schaffen, gute Basisforschung,

00:57:01: Grundlagenforschung zu machen, aber eben auch versuchen, das letztendlich in eine Anwendung

00:57:07: hineinzubekommen, um wirklich diesen, diesen drängenden Fragen, vor denen wir als Gesellschaft

00:57:12: stehen, um den eben, um diese Fragen lösen zu können.

00:57:15: Und wir sehen das jetzt KI, ein mächtigen Bogenrad, ein mächtigen Hype und ungeahnte

00:57:21: Mengen an Geld natürlich in KI reingehen.

00:57:23: Das ist sicherlich richtig und sinnvoll.

00:57:26: Aber am Ende muss es für uns Menschen nutzbar sein, es muss ein Wert sein.

00:57:32: Und ich denke eben als erstes daran, dass letztendlich wir bessere Medizin machen müssen,

00:57:38: bessere Rehabilitationen und Diagnostik machen müssen und das eben dorthin auch unbedingt

00:57:43: unsere Aktivitäten sich richten sollten.

00:57:46: Das ist doch ein schönes Schlusswort, bevor wir die künstliche Intelligenz in weitere

00:57:51: ungeahnte Höhen treiben, erstmal die Quelle unserer natürlichen Intelligenz besser zu

00:57:55: verstehen.

00:57:56: Und ich glaube, Sie sind da auf einem sehr guten Weg und ich spreche, glaube ich, für

00:58:01: alle unsere Zuhörenden, wenn ich sage, dass wir sehr dankbar sind, dass sie uns mit in

00:58:05: diese Welt genommen haben, dass diese Daten uns allen zur Verfügung stehen, dass sie

00:58:10: sich zur Aufgabe gemacht haben, das Gehirn in dieser Tiefe zu erforschen und uns heute

00:58:15: einen kleinen Einglick in diese Arbeit gegeben haben.

00:58:18: Es war ein wirklich sehr, sehr spannendes Gespräch.

00:58:20: Es war ein schöner Auftakt für diese neue Staffel, wie ich finde.

00:58:23: Und ja, ich bedanke mich, dass Sie die Zeit genommen haben, hier virtuell bei uns im

00:58:28: Studio zu sein.

00:58:29: Vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben für dieses interessante Gespräch

00:58:33: und ich freue mich sehr, mit Bochum auch natürlich weiter zusammenzuarbeiten, um an

00:58:39: diesen spannenden Projekten tätig zu sein.

00:58:41: Wir freuen uns auch und als kleines Zeichen unserer Dankbarkeit und aus guter Tradition,

00:58:46: wie es in diesem Podcastnummer so ist, gibt es nun wie immer eine poetische Zusammenfassung

00:58:51: von mir.

00:58:52: Darauf dürft ihr euch jetzt schon mal freuen.

00:58:54: Und wenn ihr jetzt Lust hat auf mehr neue Folgen, kannst du vergessen, dann kann ich

00:58:58: euch beruhigen.

00:58:59: Das ist der Start unserer neuen und vierten Staffel.

00:59:02: Im nächsten Monat geht es schon weiter mit der nächsten Folge.

00:59:04: Da haben wir ein absolutes Trendthema für euch.

00:59:06: Da geht es um ADHS und vor allen Dingen um neue Diagnose-Methoden für ADHS.

00:59:11: Ich freue mich, euch dann wieder begrüßen zu dürfen.

00:59:13: Danke Frau Amunds, dass Sie heute hier waren.

00:59:15: Und jetzt wünsche ich euch allen viel Spaß bei meiner poetischen Zusammenfassung.

00:59:36: Ja, gar nicht.

00:59:54: Außer es gibt ein Atlas, ein Google Maps für das Gehirn.

00:59:57: Nur so können wir dieses als Ganzes verstehen.

01:00:00: Keine Hirnregion steht für sich selbst isoliert.

01:00:03: Weil hier jeder mit jedem Non-Stop kommuniziert, aus Struktur und Funktion entsteht hier Dialog.

01:00:10: Als Multiskalen-Prinzip von Micro zu Makro.

01:00:13: Am Human Brain Project wird dieser Atlas gebaut.

01:00:17: Hier kann man dreidimensional bis zur Zellebene schauen, ein Gehirn aus über 7000 Scheiben

01:00:23: in 32 Kisten, liefert Orientierung und ersetzt Chaos durch Wissen.

01:00:28: Dabei entstehen unfassbare Datenmengen, die zu managen bedarf besonders grasser Rechenzentren

01:00:35: und natürlich auch den schlausten Köpfen, die man kriegen kann.

01:00:38: Ein Team der Vielfalt, das aus vielen Disziplinen kommt.

01:00:41: Doch trotz Know-how und all der Rechenpower bleiben dunkle Flecken.

01:00:46: Wo unsere Karten enden, beginnt die Forschung, Neues zu entdecken.

01:00:51: Doch auch das Modell, was heute schon für alle frei verfügbar ist, liefert großen Mehrwert

01:00:57: und wird bei OPs schon eingesetzt.

01:00:59: Das nächste große Ziel ist jetzt das "One Micron" Gehirn.

01:01:04: Wir gehen noch viel tiefer rein, wir wollen noch viel mehr verstehen, dafür braucht es

01:01:09: nicht nur Technik, sondern ein Netzwerk aus Wissen.

01:01:12: Natürlich auch Ressourcen, aber vor allem eine Vision.

01:01:15: Ein offenes Netzwerk statt sturer Isodiertheit und bei eBrainz 2.0 lebt man diesen Pioniergeist.

01:01:23: Zwischen Zellnetzen und Multiskalen braucht es Raum für Fantasie, denn die Erforschung

01:01:28: des Gehirns endet wahrscheinlich nie, doch jede Erkenntnis verschiebt die Grenzen einstück

01:01:35: und erweitert mikrometerweise unseren zerebralen Blick.

01:01:40: Das war Kannste vergessen, der Podcast vom Lernen vergessen und erinnern.

01:01:47: Wenn euch diese Folge gefallen hat, teilt sie, schreibt uns oder erzählt anderen davon.

01:01:51: Wir freuen uns über eure Rückmeldung, Fragen und Anmerkungen.

01:01:54: Alle Wege und Kontaktmöglichkeiten zu uns findet ihr in den Show-Nodes.

01:01:58: Kannste vergessen, ist der Podcast des Sonderforschungsbereichs 1280 Extinktionslernen.

01:02:04: Der SFB 1280 ist ein Forschungsverbund der Rohaniversität Bochum, der Universität Duisburg-Essen,

01:02:09: des Leibniz Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund und der Philips Universität Marburg.

01:02:14: Die Arbeit des Sonderforschungsbereichs 1280 wird ermöglicht durch die deutsche Forschungsgemeinschaft DFG.

Über diesen Podcast

Lernen ist schwer. Vergessen ist manchmal noch schwerer. Wie wird man Gelerntes wieder los? Das möchte Rainer Holl, Autor, Moderator und Poetry Slammer, wissen und verstehen. Dazu interviewt er Wissenschaftler*innen des Sonderforschungsbereichs „Extinktionslernen“ zu ihrer Forschung. Freut euch darauf, dem Gehirn in die Karten zu gucken! Es erwarten euch faszinierende Erkenntnisse aus den Bereichen Psychologie, Biopsychologie und Neurowissenschaften, ein Blick hinter die Kulissen des wissenschaftlichen Alltags – und am Ende jeder Folge: Slam-Poetry.

Extinktionslernen – Was sich genau dahinter verbirgt, und was ein SFB eigentlich ist, erfahrt ihr in Folge 1 unseres Podcasts „Kannste Vergessen – Der Podcast vom Lernen, Vergessen und Erinnern.“ Der Podcast des SFB 1280 und der Ruhr-Universität Bochum erscheint einmal im Monat.

von und mit SFB 1280, Ruhr-Universität Bochum

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